Albanien: Tirana - Mittendrin und voll dabei
Aus Wien kommend ist man ja - verhältnismäßig zum Land - große Hauptstädte gewohnt. Tirana, das “r” spricht man wie das “r” in “right” aus, legt da aber noch eins drauf. Unterschiedlichen Schätzungen nach leben in Tirana heute bereits über eine Million Menschen, bei knapp unter 3 Mio im ganzen Land. So ganz sicher ist sich hier aber niemand. Offensichtlich zählt Tirana deshalb ebenfalls zu den am schnellsten wachsenden Metropolen der Welt, wenn auch von einem kleinen Niveau ausgehend. So schlaue Dinge weiß ich allerdings auch nur, weil ich mir unterwegs das äußerst lesenswerte Buch von Franziska Tschinderle reingezogen habe. Oder zumindest den Großteil davon.
Auf mich wirkte die Stadt trotz des schnellen Wachstums einigermaßen gemächlich, vom Straßenverkehr einmal abgesehen. Der ist ziemlich irre. Es reihen sich alte kommunistische Wohnbauten (erkennt man durch das Fehlen der Eingangstüren und an den offenen Stiegenhäusern) an neue Wolkenkratzer, die zeigen sollen, dass halt doch etwas “weiter geht”. Der Großteil der Gebäude vermittelt aber - auf sehr charmante Weise - den Eindruck, dass der Glanz vergangener Tage eben schon ziemlich verblasst ist.
Essen
Das Beste ist ja meistens (zumindest für mich), wenn man etwas Einfaches sehr sehr gut macht. Diesbezüglich haben wir in Tirana unseren Meister gefunden! Met Kodra! Ein Laden mit maximal 10qm Verkaufsfläche und einer einzigen Speise. Köfte, entweder im Brot oder auch nicht. Der Köfte-Tempel spezialisiert sich seit 1957 auf das Zubereiten der sagenhaftesten Fleischwürsteln, die ich bisher verspeisen durfte und wird aktuell in zweiter Generation geführt. Das “Führen” heißt hier, tagein tagaus Fleischwürsteln auf einen Holzkohlegrill zu legen, diese perfekt anzubraten und dann sehr günstig an wartende KundInnen zu verkaufen. Das Lokal hat auf Tripadvisor bislang genau einen Eintrag mit 3 Sternen - and I think that’s beautiful.
Wenn nötig, kann man in Tirana natürlich auch fancy essen gehen. Waren wir natürlich auch, im (schwer auszusprechenden) Mullixhiu. Die haben neben einem schicken Instagram Auftritt auch sehr feines Essen. Reservierung vorausgesetzt. Es gibt zwar eine recht umfangreiche Speisekarte, was aber egal war, da ohnehin jeder das Degustationsmenü bestellte. Bei <30€/Kopf durchaus verständlich. Auch hier super Essen, wenn auch nicht auf dem Perfektionslevel vom Würstelgrillgott oben.
Drinks, Drinks, Drinks…
Tirana hat, neben mehreren guten Speise-Ecken auch wirklich hervorragende Bars. Eine davon, das Hemingway (gibt es wohl in jeder größeren Stadt), bietet zwar eine eher überschaubare Karte, dafür aber ein super Ambiente und hervorragende Cuba Libres. Mehr braucht es dann eigentlich eh nicht.
Aber war’s das schon? Natürlich nicht. Das absolute post-kommunistische Kronjuwel war für uns die Radio Bar. Super eingerichtete Retro-Kneipe mit einer enormen Auswahl und wirklich viel zu guten Cocktails. Preislich ähnlich jenen in Wien, geschmacklich aber wirklich in der Oberliga.
Wohnen und Allgemein
…. war in Tirana (wie auch sonst) völlig problemlos. Sowohl auf AirBnb (erste Nacht) als auch über Booking fanden wir nette Unterkünfte für ~40€/Nacht. Insgesamt drei Nächte hatten wir im Prestige Hotel Tirana verbracht. Wie man das “Prestige” nun genau interpretieren möchte, kann sich jeder selbst aussuchen. Die Betten waren bequem und das Frühstück gut - insofern waren die wichtigsten Punkte abgehakt. Ebenfalls schien der Hoteldirektor täglich einen mehrstündigen MitarbeiterInnen-Prep-Talk im Frühstücksraum zu halten. Das gab uns gleich einen extra Schub Motivation mit in den Tag.
Grundsätzlich, wie eh schon erwähnt, eine sehr nette Stadt mit sehr, sehr netten Menschen. Auch wenn wir nach mehreren Bestellungen im Radio Club eher unkoordiniert durch dünklere Seitengassen Richtung Prestige Hotel irrten, war uns in keinem Moment unwohl oder hatten wir das Gefühl “aufpassen zu müssen”. Ganz im Gegenteil, man wird oft gefragt, woher man kommt und hat als Österreicher in Albanien allgemein ein recht positives Standing. Offenbar gibt es das Land in seiner heutigen Form auch nur (oder zumindest zu einem großen Teil) aufgrund einer Habsburger Intervention bei den Aufteilungsgesprächen nach dem 1 WK. War ja nicht alles schlecht unter den Habsburgern…