Indonesien: “Welcome to the Jungle” auf Sumatra

Als Kontinentaleuropäer neigt man auf Reisen und insbesondere in der Reiseplanung zu einer gewissen unbekümmerten Naivität. Bei mir macht sich das vor allem in der Planung von Inlandsreisen und Einschätzung von Distanzen bemerkbar. Mein bisher größtes Kunststück gelang mir, als ich dachte, dass man sich nach Java auch noch eben schnell Sumatra einmal anschauen könnte.

Aber warum auch nicht?

Sumatra zählt neben Borneo zu jenen großen Inseln, die noch über einen beachtlichen (wenn auch stetig schrumpfenden) Restdschungel verfügen. Die Insel ist flächenmäßig etwas kleiner als Spanien und hat etwas unter 40 Mio. Einwohner:innen. Sie ist also - im Verhältnis zu Java (145 Mio) - eher spärlich besiedelt.

Nachdem bekanntlich der Weg bereits schon das Ziel darstellt, stiegen wir in Surabaya in den Flieger und hoben ab. Lustigerweise landeten wir aber nicht, wie ursprünglich geplant, in Medan, sondern in einer Sonderwirtschaftszone Malaysiens. Das sollten wir im Rahmen unseres Non-Stop-Fluges wohl als kleines Extra interpretieren. Warum wir dort waren, weshalb wir den Flieger verlassen mussten, nur um nach einer Runde durch den Flughafen wieder auf den exakt gleichen Sitzen wieder Platz zu nehmen - wir werden es nie wissen. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass sich das Flugpersonal (ausschließlich Frauen) auf die Landung in einem religiös konservativeren Eck des Landes vorbereiteten und die Verschleierung um eine Stufe erweitert wurde.

Beiläufige Info während des Fluges zum Thema "Suchtmittelkonsumation"

Die Stadt Medan (ca. 2,5 Mio Einwohner:innen) hält sich mit übertriebenem Liebreiz vornehm zurück. Daher nutzten wird die Zeit, um auszuschlafen und uns mental auf die Fahrt nach Bukit Lawang und den anstehenden Dschungel-Trek vorzubereiten.

Nach Bukit Lawang

Aufgrund der ein oder anderen Magen-Instabilität haben wir uns kurzfristig noch gegen einen Sammelbus und für einen privaten Fahrer für die ca. 4 stündige Fahrt nach Bukit Lawang entschieden. Der Preisunterschied war überschaubar und eine einigermaßen funktionierende Klimaanlage jede Rupie wert. Warum vom Dschungel verhältnismäßig nicht mehr allzu viel da ist, zeigte sich schon nach den ersten Autobahnkilometern stadtauswärts. Nach der ersten Viertelstunde Fahrzeit sollten unsere Straße nur noch feinsäuberlich kultivierte Palmölplantagen säumen. Unser Fahrer zeigte sich davon sogar relativ begeistert. Angeblich lassen sich die Pflanzen 4x jährlich ernten und brächten der Region zumindest etwas Zusatzeinkommen. Dass sich der Dschungel auch vermarkten lässt, setzt sich erst so schön langsam in den Vorstellungen der Bevölkerung durch. Als außenstehender Europäer neigt man sicherlich gerne dazu, schnell den Zeigefinger zu heben und auf das Artensterben usw. aufmerksam zu machen - lässt es dann aber sein.

In Bukit Lawang

Bukit Lawang war in Realität sehr nahe an der Vorstellung, die man von einem Dschungeldorf hat. (Wieder einmal) sehr, sehr freundliche Menschen, viele Kinder, einen Fluss, der das ganze Dorf durchkreuzt und den Einwohnern als Wasserquelle für so ziemlich alles dient. Und einige Affenarten, insbesondere Orang-Utans. Die Unterkunft war einfach, aber auch einfach sehr nett, das Essen ungemein gut und das Wetter je nach Phase sehr heiß, oder sehr nass.

Allabendlicher Einschlaf-Regenguss

Auf geht’s!

Wie auch beim “normalen” Wandern gehen, startet man einen Dschungel-Trek im Dorf und arbeitet sich gemächlich voran. Zuerst lässt man das Dorf hinter sich, dann die umgrenzenden Felder, dann die ein oder andere Palmölplantage, die es noch an den Rand des Naturschutzgebietes geschafft hat und irgendwann wird es dann Realität. Man sieht die ersten kleinen Affen, großen Ameisen und - wir hatten Glück - auch einen Orang Utan! Und man schwitzt, sehr, sehr viel!

Da zwei Personen ihren Trek abgesagt haben, hatten wir das Glück (?) einen Guide gänzlich für uns zu haben. “Glück” möglicherweise vor allem für ihn, da er nun ein paar neue Routen ausprobieren konnte. Nachdem wir ihm wohl irgendwann auch mitgeteilt hatten, dass wir eh gerne wandern und “from Austria, with many mountains” kommen, ergaben wir uns unserem Schicksal. Rückblickend würde ich anmerken, dass - es mag Ausnahmen geben - man es als >180cm große Europäer nur bedingt hinbekommt, ähnlich elegant, wie unser Guide durch das Dschungeldickicht zu gleiten. Ich für meinen Teil musste relativ bald feststellen, dass glatte Steine zum Draufsteigen und zarte Äste zum Festhalten mir nicht dasselbe Grundvertrauen entgegen brachten, wie ich ihnen. Offenbar hatten wir uns aber - entgegen unserer Selbsteinschätzung - besser angestellt, als erwartet und wurden von unserem Guide mit einer besonders raffinierten Route belohnt. Die letzten 2-3 KM wateten wir dann durch ein hüfthohes Flussbett. Nachdem wir in einem Crashkurs lernten, wie man sich von Blutegeln befreit, war auch das keine allzu große Challenge mehr.

Auch wenn die Tour auf den ersten Blick nicht wahnsinnig wild aussieht, waren wir nicht gänzlich unglücklich, als wir unser Dschungeldomizil erreichten.

Unterkünfte wie die unsere sind quer über den Leuser National Park verteilt, wobei sich jene für eine zweitägige Wanderung noch relativ am Rande des “richtigen” Dschungels befinden. Angeblich kann man mit Glück (?) sogar Tiger zu Gesicht bekommen. Ob und wie glücklich man in so einem Moment letztendlich ist, kann ich jetzt auch nicht sagen.

Bevor wir über unser Abendessen herfallen konnte, mussten wir noch das ein oder andere “Dschungel-Rätsel” lösen.

Nachdem die Sonne im Dschungel bekanntlich früh untergeht und sich kurz danach der tägliche Monsun-Regen eingestellt hat, waren wir nicht allzu traurig, uns auf die vorbereiteten Holzplatten niederzulassen und uns ins Nirvana zu mützeln.

Nach der Guten-Morgen-Visite unserer lokalen Affengang quetschten wir uns in unsere klammen Wanderhosen und machten uns auf den Weg flussabwärts zur Tubing-Extravaganza! Unterwegs nahmen wir vielleicht noch den ein oder anderen Hügel, Schweißtropfen und Mammutbaum mit.

“Tubing” funktioniert dann ungefähr so, dass eine nicht kleine Gruppe von Einheimischen versucht, den Touris der Gegend einen möglichst interessanten Heimweg aus dem Dschungel zu ermöglichen. Konkret werden dafür ein paar große, aufgeblasene Gummiringe irgendwie zusammen geschnürt, sodass sich dazwischen ein Netz ergibt, auf welchem die Fahrgäste Platz nehmen dürfen. Vorne und hinten steht dann ein Gondoliere und navigiert irgendwie mit einem größeren Bambusstab flussabwärts. Da es die letzten Tage vor unserer Tour wahnsinnig häufig (und viel) geregnet hatte, war der Wasserstand unverhältnismäßig hoch. Laut unseres Guides “Mr. Wong” sollten wir die 1-stündige Tour in ca. 20 Minuten hinbekommen. Haben wir auch. Abgesehen von einer unerwarteten Stromschnelle und einer Mini-Nahtoderfahrung waren wir in knapp 15 Minuten in unserer Zieldestination. Dort wurden wir dann von der lokalen Bevölkerung (für welche das Flussufer ein Naherholungsgebiet darstellt) unter tosendem Applaus empfangen und durften die folgenden 20 Minuten mit sämtlichen Familienmitgliedern, Kindern, Großeltern, Babies usw. für Fotos posieren. Wahrscheinlich steht/hängt seit damals ein Bild von uns in 1-2 sumatraischen (?) Haushalten.

Unseren letzten Abend feierten wir noch unsere sichere Heimkehr mit dem ein oder anderen Dschungelbier sowie diversen indonesischen "Gstanzln".

Alles überlebt und Sumatra somit zur Hälfte abgeschlossen. Also noch einmal Gepäckdomino im Bus, ab zum Flughafen und weiter ins Scharia-Gebiet von Aceh.

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Indonesien: Pulau Weh, oder “so, wie Bali vielleicht einmal war”

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